Veranstaltungsdetails
Unser kulturelles Gedächtnis bestimmt, wer wir sind. Texte sind die Werkzeuge dieses Gedächtnisses. Was passiert jedoch mit Texten, die nicht mit der offiziellen Ideologie eines Staates übereinstimmen – die zu „Anti-Texten“ werden und verborgen bleiben oder gar vernichtet werden?
Die Ausstellung „Antitext“, die das Literaturmuseum Charkiw konzipiert hat, spürt unter dieser Fragestellung die komplexe Literaturgeschichte der Ukraine nach. Sie thematisiert nicht nur die Auswirkungen des totalitären Sowjetregimes im 20. Jahrhundert auf die ukrainische Literatur und Kultur, sondern wirft vor allem einen Blick auf die aktuelle Situation. Ziel von „Antitext“ ist es zu zeigen, wie Texte unser kulturelles Gedächtnis prägen und welchen Einfluss vergessene oder zensierte Werke auf unser Leben haben.
Die Ausstellung thematisiert, wie die Sowjetunion im 20. Jahrhundert mittels Zensur und Verfolgung ukrainischer Autor*innen das literarische Erbe der Ukraine beinahe vernichtete. Autor*innen wurden politisch verfolgt und unterdrückt, und ihre Werke in speziellen Archiven versteckt, die der Öffentlichkeit jahrzehntelang nicht zugänglich waren. „Antitext“ beleuchtet nicht nur diese schwierigen Kapitel der Geschichte, sondern wirft auch die wichtige Frage auf, wie sich diese Verluste auf das kulturelle Gedächtnis und die Identität der Ukraine ausgewirkt haben: Wäre die Ukraine, wäre Europa heute ein anderes, wenn wir Zugang zu diesen Texten gehabt hätten? Wenn diese Schriftsteller*innen gelebt und weitergeschrieben hätten, anstatt ermordet oder unterdrückt zu werden?
Diese Historie setzt sich im aktuellen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine fort. Die Aktionen des Aggressors gehen über militärische Angriffe hinaus und richten sich auch gegen die ukrainische Kultur selbst: In den besetzten Gebieten werden Künstler*innen getötet, Kultureinrichtungen zerstört, ukrainische Bücher aus Bibliotheken und Schulen entfernt, und Museen und Archive geplündert. Die ukrainischen Lehrpläne werden durch russische ersetzt.
In der Ausstellung werden keine traditionellen Museumsobjekte gezeigt. Dies ist symbolisch für die derzeitige Situation in ukrainischen Museen, in denen Kulturgüter versteckt werden müssen, um sie für künftige Generationen zu erhalten. Die Ausstellung zeigt jedoch Werke ukrainischer Autor*innen, die trotz aller Vernichtungsversuche von den Ukrainer*innen geschützt und bewahrt werden konnten.
Das Thema der Ausstellung knüpft einerseits an die Dauerausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums zu 5.000 Jahren Mediengeschichte an. Die Ausstellung erzählt in elf Modulen Mediengeschichte als Geschichte der Meinungsfreiheit. Besonders deutlich wird dies im Modul zur „Zensur“ mit 19 Beispielen aus der Mediengeschichte. „Antitext“ bildet eine Fortsetzung dieses Kapitels. Zum anderen knüpft die Schau an die bereits 2023 gezeigte Ausstellung „before/after“ zu zerstörten Kultureinrichtungen der Ukraine an, in deren Umfeld das Museum zwei Stipendien für Exilschriftstellerinnen akquirieren konnte. Flankiert wurde die Ausstellung auch von einer Reihe von Veranstaltungen, bei denen Exilukrainer*innen im Museum aus ihren Texte gelesen haben.
„Antitext“ ist eine Ausstellung des Literaturmuseums Charkiw und nach Stationen u.a. in Graz, Berlin nun in Leipzig zu Gast.
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Ausstellungsort
Die Sammlungen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek mit über einer Million Objekten erlauben in ihrer außergewöhnlichen Heterogenität eine interdisziplinäre Herangehensweise an buch- und schriftwissenschaftliche Fragestellungen im kultur-, medien-und kommunikationsgeschichtlichen Kontext.
Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek – 1884 als Deutsches Buchgewerbemuseum in Leipzig gegründet – ist das weltweit älteste und nach Umfang und Qualität der Bestände eines der bedeutendsten Museen auf dem Gebiet der Buchkultur. Der Standort Leipzig war für die Ansiedlung eines Buchmuseums am Ende des 19. Jahrhunderts kein Zufall. Leipzig hatte durch seine herausragenden Leistungen und Innovationen auf dem Gebiet der Buch- und Druckkunst – wie der Herausgabe der ersten Tageszeitung der Welt (1650), der Entwicklung des beweglichen Notensatzes und der jahrhundertealten Tradition der Leipziger Buchmesse – ein unverwechselbares historisches Profil als Buchstadt.
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